Im Rückblick

Wertschöpfen statt Wegwerfen - Zirkel.Training

Station 5 | 10. November 2021

Zirkuläre Geschäftsmodelle: Erkenntnisse aus Forschung & Praxis

Die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung muss weit über einzelne Produkte und Verfahren hinaus gedacht und ganzheitlich angegangen werden. Das wurde beim fünften Termin der Zirkel.Training-Reihe, mit der wir an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft zu Besuch waren, einmal mehr deutlich. Etwa 45 Zuhörer:innen freuten sich über einen spannenden Einstieg ins Thema ‚Zirkuläre Geschäftsmodelle‘ und die Einblicke, die der Smartphone-Hersteller SHIFT gewährte.

Innovation innerhalb bestehender Geschäftsmodelle genügt nicht

Prof. Dr. Stephan Hankammer stellte in seinem Vortrag zunächst die gesellschaftliche Relevanz des Themas Nachhaltigkeit heraus, um dann zu konstatieren, dass die bisherigen Antworten auf die drängenden Herausforderungen – von weltweit steigenden CO2-Emissionen bis zur Plastikproduktion – noch keineswegs ausreichend seien.

Das gilt auch für Lösungsansätze wie die Circular Economy. Die Ursache dafür? Zum einen greifen Strategien zu kurz, die Innovation innerhalb bestehender Geschäftsmodelle verfolgen. Zum anderen werden die Bedürfnisse der Nutzer:innen häufig noch zu wenig beachtet. Die Alternative sind nutzerzentrierte zirkuläre Geschäftsmodelle.

Vortragsfolie - Zirkuläre Innovationen
Quelle: Vortragsfolie

Typisierung von Geschäftsmodellen

Zur Beschreibung und Strukturierung von zirkulären Geschäftsmodellen bietet sich zunächst eine Unterscheidung nach dem Service-Anteil an. Während in produktorientierten Modellen die Hersteller ihre Produkte ganz an die Nutzer:innen abgeben, bleiben sie bei nutzungsorientierten Varianten wie Vermietung oder Sharing Eigentümer – inklusive der Verantwortung für Wartung, Rücknahme und Recycling.

Am weitesten gehen ergebnisorientierte Geschäftsmodelle, in denen ein Resultat, z. B. saubere Wäsche, als Service verkauft wird. Dieser wird vom Anbieter erbracht, ohne dass der Kunde ein Produkt selbst nutzt oder besitzt. Je höher der Service-Level, desto konsequenter lassen sich zirkuläre Strategien wie Reparatur oder lange bzw. intensive Nutzung ins Geschäftsmodell integrieren.

Vortragsfolie - Produkt-Service-Systeme
Quelle: Vortragsfolie

Ohne die Akzeptanz der Nutzenden geht es nicht

Zu den größten Hürden für den Erfolg solcher Geschäftsmodelle gehört jedoch die fehlende Akzeptanz durch die Verbraucher:innen. „Nutzende müssen mitmachen“, sagt Stephan Hankammer ganz klar. Gelingen kann dies, indem man die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer sowie mögliche „Schmerzpunkte“ in der Customer Journey gut erforscht und im Designprozess berücksichtigt. Methodisch bietet sich dazu der Jobs-to-be-done-Ansatz an, der nach den tieferliegenden Bedürfnissen hinter einem formulierten Produktwunsch fragt.

Als wichtige Erkenntnis bleibt festzuhalten: Zirkuläre Geschäftsmodelle sind nur dann erfolgreich, wenn sie tatsächliche Nutzerbedürfnisse bedienen – und zur zirkulären Wertschöpfung beizutragen, gehört in der Regel nicht dazu.

SHIFT happens – oder wie ein Smartphone-Hersteller die Welt revolutionieren will

Dass intrinsische Motivation für das Unternehmen SHIFT GmbH aus Nordhessen ein wesentlicher Handlungsmotor ist, wurde im Vortrag von Leon von Zeppelin und Thomas Krause schnell greifbar. Der Anspruch auf Veränderung („Shift“) wird vom Hersteller modularer Smartphones und Laptops ganzheitlich gedacht, was sich auch im Unternehmensleitbild „Wertschätzung“ ausdrückt. Wertschätzung möchte man den Mitarbeiter:innen ebenso entgegenbringen wie Lieferant:innen und Kund:innen.

Das Ausmaß des Problems, zu dessen Lösung SHIFT einen Beitrag leisten will, veranschaulicht ein Vergleich. 53,6 Mio. Tonnen beträgt die Menge an Elektroschrott, die weltweit pro Jahr anfällt, und wiegt schwerer als die Chinesische Mauer.

Was macht nun das Shiftphone zu einem zirkulären Geschäftsmodell? SHIFT benennt dreizehn R-Strategien:

Vortragsfolie - SHIFT R-Strategien
Quelle: Vortragsfolie

Modularität als Voraussetzung

Zentraler Ansatz ist die modulare Bauweise des Telefons. Denn diese macht es überhaupt erst möglich, das Gerät zu reparieren, Ersatzteile einzusetzen und in späteren Schritten zu recyceln. Schlichtes und ästhetisches Produktdesign trägt zur Wertschätzung durch die Nutzer:innen bei, während der mitgelieferte Schraubenzieher und Video-Tutorials die eigenständige Reparatur unterstützen.

Vortragsfolie - Reparatur Shiftphone
Quelle: Vortragsfolie

Um die Shiftphones nach dem Ende der Nutzung zur Wiederaufbereitung bzw. Recycling wieder zu bekommen, hat sich SHIFT für ein Gerätepfand entschieden, das beim Kauf gezahlt wird. Bei der Rückgabe ist dann ein Upgrade oder die Auszahlung des Pfands möglich. Beim Recycling ist man noch auf der Suche nach optimalen Verfahren – und wartet auf relevante Rücklaufmengen, die es lohnend machen.

Ohne Zweifel spielen Nutzer:innen im Geschäftsmodell von SHIFT eine große Rolle: in der Art und Weise, wie das Unternehmen die Beziehung zu ihnen versteht und pflegt, aber auch in der aktiven und bewussten Rolle, die ihnen zukommt, um zirkuläre Ansätze wie Reparatur und lange Nutzung auch umzusetzen.

Ausblicke

Wo kann die Reise noch hingehen? SHIFT möchte seine Produkte zum „universal device“ weiterentwickeln, das den Unterschied zwischen Smartphone und Laptop verschwimmen lässt, weil dieselben Komponenten in verschiedenen Geräten eingesetzt werden können. Und auch, wenn der Markt für modulare Smartphones noch überschaubar ist, immerhin beobachten die großen Player mit Neugier, was Pioniere wie SHIFT oder Fairphone so tun …