Im Rückblick
Wertschöpfen statt Wegwerfen - Zirkel.Training
Station 3 | 29. Juni 2021
Abfallwirtschaft multiperspektivisch
Die Westfälische Hochschule, genauer gesagt der Fachbereich Maschinenbau, Umwelt- und Gebäudetechnik, war Gastgeberin der dritten Zirkel.Training-Station. Um nicht in direkter Konkurrenz zum EM-Spiel der deutschen Mannschaft anzutreten, startete die Veranstaltung eine Stunde früher als ursprünglich geplant, bei guter Beteiligung von 40 Teilnehmenden von fünf Hochschulen in NRW.
Die Welt der Kunststoffe
Nach einer kurzen Vorstellung des Fachbereichs und des Studiengangs durch Prof. Holzhauer, führte Prof. Dr.-Ing. Thomas Brümmer ins Thema Kunststoffe ein, die heute in vielfältigster Form unseren Alltag prägen.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es sich bei Kunststoffen um ein sehr junges Material handelt. Die ersten Polymere – so die chemisch präzisere Bezeichnung – entstanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein steiler Anstieg der Produktionsmengen ist aber erst seit den 1950er Jahren zu verzeichnen, als Kunststoffe vornehmlich aus Rohöl hergestellt wurden.
Kunststoffe setzten sich dank ihrer typischen Eigenschaften in der Industrie schnell durch: So können sie etwa bei relativ niedrigen Temperaturen verarbeitet werden, sind leicht einzufärben und lassen sich in verschiedensten Verfahren verarbeiten – vom Spritzgießen bis hin zur Extrusion.
Trotz der zunehmenden Problematisierung von Kunststoffverpackungen in der öffentlichen Diskussion wächst die jährliche Kunststoffproduktion weiter. Für das Jahr 2019 ist laut nova-institute eine weltweite Produktionsmenge von knapp 377 Mio. Tonnen zu verzeichnen, in Deutschland waren es laut Umweltbundesamt 14,2 Mio. Tonnen, wovon die größten Anteile zu Verpackungen und in der Bauwirtschaft verarbeitet wurden.
Doch wie sieht es mit Wiederverwertung und Kreislaufführung aus? Grundsätzlich sind drei verschiedene Formen der Verwertung möglich: die werkstoffliche, die rohstoffliche sowie die energetische Verwertung (Verbrennung). Bei der Kreislaufführung fließen die gesammelten Kunststoffe wieder in die Produktion ein. Der Anteil der wiederverwerteten Kunststoffe lag in Deutschland 2019 jedoch deutlich unter der Kunststoffmenge aus Primärrohstoffen.
Praxis-Projekte zur Abfallerfassung
Prof. Dr.-Ing. Ralf Holzhauer nahm in seinem Vortrag zunächst die Voraussetzungen der Abfallwirtschaft in den Blick und stellte anschließend zwei eigene Forschungsprojekte zur Abfallerfassung vor.
Zu den wichtigen Stationen auf dem (noch weiten) Weg zur Kreislaufwirtschaft gehört, dass Versorgung und Entsorgung seit den 1990er Jahren zusammengedacht werden, was sich u.a. in der erweiterten Produktverantwortung der Unternehmen spiegelt. Komplex und verzweigt ist das Themenfeld nicht nur durch die zahlreichen, teilweise konkurrierenden Begriffe und Ansätze, sondern auch durch die verschränkten Verantwortungsbereiche der wichtigsten Akteure: Politik, Unternehmen und Verbraucher:innen.
Wie lässt sich die Kreislaufführung im Bereich der Sammlung und des Recyclings nun praktisch verbessern? Das erste Projektbeispiel zu diesem Thema stellt einen Versuch mit dem Pumpenhersteller Wilo zur Rückführung gebrauchter Pumpen vor. Das Ziel: Funktionierende Bauteile und hochwertige Rohstoffe wie Seltene Erden sollen nicht in der Schrottpresse landen, sondern wiedergewonnen werden. Gelungen ist dies, indem Altpumpen über verschiedene Rückführungswege wie die Abholung durch Wilo oder die Sammlung durch Schrotthändler zum Hersteller zurückgebracht wurden. Dort konnten funktionierende Komponenten und Rohstoffe über verschiedene Verfahren herausgelöst und nach einer Qualitätsprüfung wiederverwendet werden.
Das zweite vorgestellte Projekt erforschte in einem Pilotversuch, wie sich die kommunale Müllsammlung verbessern lässt. Vorgeschlagen und erprobt wurde dazu ein Sack-im-Behälter-System. D.h. anstelle verschiedener Abfalltonnen bekamen die beteiligten Haushalte verschiedenfarbige Säcke zur Sammlung und Trennung der Abfälle und nur eine Tonne zur Aufnahme der Säcke.
Eine begleitende App ermöglichte es den Teilnehmenden, gefüllte Tonnen an das kommunale Abfallunternehmen zu melden. Mit Ausnahme der Papierfraktion, deren Sortenreinheit sich verschlechterte, konnte das Projekt die Sortenreinheit in der Sammlung verbessern und durch die dynamische Abfuhr eine CO2-Einsparung erzielen.
Nachhaltigkeit in der Kunststoffwirtschaft – eine Stakeholder-Diskussion
Den dritten Teil der Veranstaltung bestritten Studierende des Masterstudiengangs „Systems Engineering in der Umwelt und Gebäudetechnik“ und wählten dafür ein sehr spannendes Format. Denn die Leitfrage „Wie wichtig ist eine nachhaltige Kunststoffwirtschaft?“ diskutierten sie in einer inszenierten Gesprächsrunde unterschiedlichster Stakeholder.
Durch eine souveräne Moderation geführt, tauschten die Beteiligten aus den jeweiligen Rollen und Positionen heraus ihre Argumente zu drei Teilfragen:
- Sollte ein verpflichtender Rezyklatanteil von 25 % für alle Kunststoffprodukte eingeführt werden?
- Sind bioabbaubare Kunststoffe eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen?
- Sollte der digitale Produktpass eingeführt werden?
Während etwa die Grundstoffindustrie in bioabbaubaren Kunststoffen eine mögliche Alternative und Potentiale für CO2-Einsparung sah, rieten die NGOS mit dem Hinweis auf „Greenwashing“ davon ab. Die Konsumenten erklärten sich grundsätzlich bereit, mehr dafür zu zahlen, jedoch nur bis zu einer gewissen Höhe. Die Kreislaufwirtschaft schließlich gab zu bedenken, dass das Recycling von bioabbaubaren Kunststoffen aktuell noch schwierig sei und dass die anderen Stakeholder mitwirken müssten, um eine gute Trennbarkeit zu gewährleisen.
Flankierend fand eine Umfrage des Publikums zur Verantwortlichkeit der Akteure jeweils vor und nach der Diskussion statt – und so konnte zumindest hier der Kreis geschlossen werden.