Im Rückblick
Wertschöpfen statt Wegwerfen - Zirkel.Training
Station 2 | 17. Juni 2021
Theorie & Praxis:
Zirkuläre Wertschöpfung in der Produktentwicklung
Die zweite Runde des Zirkel.Trainings führte uns ans Institut für Technische Energie-Systeme (ITES) der FH Bielefeld und zum Thema „Produktentwicklung“. Bei Außentemperaturen von über 30 Grad folgten Studierende verschiedener Hochschulen vom heimischen Rechner aus den vier abwechslungsreichen Vorträgen.
Problemfall lineare Wertschöpfung
Dörthe Knefelkamp machte den Anfang und stellte die negativen Auswirkungen der linearen Produktionsweise vor. Für jeden Schritt der Wertschöpfungskette lassen sich problematische Aspekte wie etwa die zerstörerischen Wirkungen der Rohstoffgewinnung, der Einsatz von Energie und Schadstoffen in der Produktion oder der Wettbewerb um niedrige Preise in der Distributionsphase benennen.
Dass es bei der grundlegenden Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise nicht mehr nur darum gehen kann, „weniger schlecht“ zu sein, wird in der Gegenüberstellung des Tripple-Bottom-Line-Konzepts mit der Tripple Top Line deutlich: Während der erste Ansatz im Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Leistungen wirtschaftlichen Handelns vor allem die negativen Auswirkungen zu minimieren sucht, zielt das Konzept der Tripple Top Line darauf, positive Mehrwerte für Umwelt und Gesellschaft zu generieren.
Qualitätsstandards im Wandel
Prof. Dr.-Ing. Eva Schwenzfeier-Hellkamp nahm in ihrem Part die Potentialanalyse des NRW-Wirtschaftsministeriums zur Zirkulären Wertschöpfung als Ausgangspunkt, die Rolle von Qualitätsstandards zu thematisieren.
Dort heißt es: Um das Ziel zu erreichen, die bestmögliche Qualität von Materialien in der Wertschöpfungskette zu erhalten, müssen Produkte hinterfragt und grundlegend neu gedacht werden. Dazu gehört der Verzicht auf problematische Substanzen ebenso wie Überlegungen zur Rückgewinnung und Demontage schon in der Planungsphase.
Aktuell wird die Produktentwicklung von Unternehmen jedoch noch weitgehend von linearem Denken geprägt, was sich im klassischen Produktentstehungsprozess zeigt, der die Produktverantwortung von Unternehmen meist bei der Markteinführung beendet sieht.
Ansätze eines Wandels lassen sich aber beispielsweise in den Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) beobachten: Während diese lange den klassisch-linearen Produktlebenszyklus mit einer klaren Abfolge von Entwicklungsschritten als Modell des Produktentstehungsprozesses zugrunde legte, setzt sie seit einiger Zeit zunehmend auf agiles Qualitätsmanagement.
Prinzipien der Agilität wie Teamarbeit, Validierung durch die Kunden und schnelle Entwicklungszyklen lassen sich als Voraussetzung und Motor für Veränderung – auch in Richtung Zirkuläre Wertschöpfung – verstehen, nicht zuletzt durch die kulturtransformierende Wirkung, die sie in Unternehmen entfalten.
Zu den Hemmnissen für die Einführung zirkulärer Wertschöpfung ist auf der anderen Seite das Fehlen klarer Standards bzw. deren mangelnde Operationalisierbarkeit zu benennen. Notwendig sind hier auch externe Impulse durch die Gesetzgebung.
Designkonzepte
Welche konkreten Ansätze nachhaltiger Produktgestaltung gibt es? Diesem Aspekt widmete sich Fabian Schoden und machte zunächst klar, wie zentral die Designphase ist, da hier bis zu 70 % der Umweltauswirkungen eines Produkts entschieden werden.
Dann stellte er fünf Designstrategien, jeweils mit Umsetzungsbeispielen, vor:
- Design for Durability
- Design for Product Attachment and Trust
- Design for Ease of Maintenance and Repair
- Design for Disassembly and Reassembly
- Design for Ugradability and Adaptability
Wird nicht nur die Gestaltung der Produkte selbst verändert, sondern die Art und Weise, Gewinne zu erwirtschaften, erfolgt das Redesign auf der Ebene von Geschäftsmodellen. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Unternehmen die Nutzung von Waschmaschinen verkauft, nicht aber das Produkt selbst – man spricht hier von „Product as a Service“.
Die Veränderung von Produktdesign und Geschäftsmodellen verändert dabei auch die Rolle von Unternehmen in der Wertschöpfungskette. Denn mit dem zirkulären Denken erweitert sich der Verantwortungs- und Kompetenzbereich von Unternehmen deutlich, da Nutzungsphase und Produktlebensende in die Produktentwicklung mit einbezogen werden – statt mit dem Abverkauf zu enden.
Praxis-Erfahrungen der IP Adelt GmbH
Die Herausforderungen nachhaltigen Produktdesigns in der Praxis machte Eric Adelt, Geschäftsführer der IP Adelt GmbH, zum Abschluss auf anschauliche Weise deutlich.
Die IP Adelt GmbH produziert Verpackungen für Werbe- und Präsentationsmittel wie z.B. Musterbücher, Geschenkboxen und Ordner. Mit Begeisterung hat sich das Bielefelder Unternehmen auf den Weg gemacht, umweltschädliche Verpackungslösungen durch nachhaltigere und umweltfreundlichere zu ersetzen.
Besonders knifflig: Die diverse Produktpalette und die im Vergleich zu teuren Konsumgütern eher günstigen Artikel erschweren das Recycling bzw. die Anreize zur Wiederverwertung. Dennoch ist es gemeinsam mit der FH Bielefeld gelungen, Ansätze für nachhaltigere Produktgestaltung zu entwickeln, wie zum Beispiel die Wiederverwertung der metallenen Heftmechaniken aus gebrauchten Ordnern.
Noch einen Schritt weiter geht die mit Studierenden der FH Bielefeld (in Kooperation mit dem Institut ITES) konzipierte Neugestaltung eines Ordners, dessen Mantel Pappe mit Grasanteil verwendet und ganz auf Farbdruck und Schutzfolie verzichtet; zudem werden gebrauchte Heftmechaniken eingesetzt. Was besonders interessant ist: Gerade die sichtbar nachhaltige Gestaltung erhöht bei Kundinnen und Kunden das Verständnis und das Bewusstsein für die Thematik. Mehr über den nachhaltigen Aktenordner ist im Informationsfilm auf YouTube zu erfahren.
Die Studierenden nutzten die Gelegenheit für Nachfragen u.a. zur Rückführungslogistik der Ordner, zur Bereitschaft, Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen und nach der Wirtschaftlichkeit einzelner Maßnahmen.